Trichotillomanie geht weit zurück.  Vielleicht war sie schon immer Teil der menschlichen Erfahrung.

Der griechische Arzt Hippokrates, 460 v.Chr. – 370 v.Chr.

Die frühesten medizinischen Berichte über das Haare ziehen scheinen in Werken erschienen zu sein, die dem antiken griechischen Arzt Hippokrates zu geordnet werden. Tatsächlich hat Hippokrates das an den Haaren ziehen als eines von vielen Symptomen genannt, die ein Arzt routinemäßig prüfen solle. In den Epidemien I, schrieb Hippokrates,

Dann müssen wir seine Sprache, seine Gepflogenheiten, sein Schweigen, seine Gedanken, Schlaf- und Wachgewohnheiten, seine Träume, deren Natur und Zeit in Betracht ziehen. Als Nächstes müssen wir feststellen, ob er seine Haare ausreißt, sich kratzt oder weint. (Lloyd 1983, S. 100)

In den Epidemien III, beschreibt Hippokrates den wahrscheinlich ersten Fallbericht über das Haareziehen, das interessanter Weise im Zusammenhang mit schwerer Depression und Trauer auftrat:

In Thasos bekam die Frau von Delearces, die auf dem ebenen Boden lag, ein hohes Fieber und zitterte infolge von Trauer. Von Anfang an wickelte sie sich ein, blieb immer schweigsam während sie um sich herum griff, sich kratzte, ihre Haare ausriss und abwechselnd weinte und lachte. (Lloyd 1983, S. 137) 


Trichotillomanie. Dan J. Stein
, Gary A. Christenson, Eric Hollander, American Psychiatric Pub, 1. Jan. 1999

Der griechische Philosoph Aristoteles, 384 v.Chr. – 322 v.Chr.

Auch Aristoteles erkannte das Haareziehen als Störung wie eine Passage aus dem 7. Buch, der Nikomachischen Ethikdie 350 v.Chr. geschrieben wurde, zeigt:

Diese Zustände sind brutal, … und andere sind morbide Zustände (C) die aus Gewohnheit entstehen, z.B die Angewohnheit die Haare auszureißen oder an den Nägeln zu kauen…

 

Der französische Dermatologe François Henri Hallopeau, 1842 – 1919

Im Jahr 1889 kreierte Hallopeau den Begriff Trichotillomanie aus den griechischen Worten für Haare – thrix, ziehen – tillein und Manie. Um diese Zeit wurde die Trichotillomanie als komplexe, psychische Krankheit anerkannt und nicht mehr als schlechte Angewohnheit angesehen.


Forschung im 20. und 21. Jahrhundert

In den letzten Jahrzehnten haben Autoren, Psychologen, Ärzte und Forscher Studien zu Haarziehstörungen in den Fachgebieten der Biologie, Genetik, Pharmakologie, Psychologie und Neuropsychologie durchgeführt. Langfristig würde ich gern einen detaillierten historischen Überblick über den Forschungsfortschritt finden oder erstellen. Diese Seite ist ein erster bescheidener Anfang.

1991 gründete Christina Pearson die TLC Foundation in Santa Cruz, Kalifornien. In diesem Jahr wird die Organisation 30 Jahre alt und hat sich zum weltweit größten Netzwerk für Menschen mit BFRBs, ihren Familien und Freunden, für Wissenschaftler, Forscher, Ärzte und Therapeuten entwickelt. Unter www.bfrb.org können Sie sehen, in welchem Umfang die Organisation Bewusstsein, Verständnis und Wissenschaft fördert und Menschen durch ihre Konferenzen und jetzt digitalen Angebote auf der ganzen Welt miteinander verbindet.

Wie dieses Verhalten genannt wird

In den 80ern las ich den Begriff Trichotillomanie zum ersten Mal in einer Zusammenfassung auf einem Mikrofiche. Diese Begegnung mit dem Begriff fühlte sich schrecklich an und gleichzeitig erleichternd. Es schrieb jemand darüber, was bewies, dass ich weder die erste noch die einzige Person war, die ein ungewöhnliches Haarziehverhalten beunruhigte. Insofern kann das Bezeichnen und Diagnostizieren einer Erkrankung kann befreiend sein. Bis heute mag ich den Klang und das Anschauen des Begriffs nicht besonders und sehe inhärente Probleme in dieser Bezeichnung wegen ihrer möglichen stigmatisierenden Wirkung. Der Name enthält das Wort Manie, was übersetzt Wahnsinn und Verrücktheit bedeutet.

Diagnosen von Störungen sind nie wirklich gute Nachrichten und ihre Namen sind einfach sofort belastet. Ich glaube jedoch, dass der Begriff Trichotillomanie ein besonders starkes Potenzial hat, zum ohnehin geringen Selbstwertgefühl einer Person beizutragen, die an den Haaren zieht, und zudem Distanz zwischen Menschen, die darunter leiden, und ihren sozialen Kontakten schafft. Viele von uns haben selber erlebt, dass diese in vielen Sprachen fremd klingende Buchstabenreihe nicht verstanden wird, wenn jemand sie zum ersten Mal hört. Das erschwert die Kommunikation über dieses an sich schon heikle Thema, in dem die Betroffenen zuerst eine kleine Vorlesung halten müssen.

Der Begriff stammt aus der griechischen Sprache und mit großem Respekt gegenüber den ersten Forschern bevorzuge ich heute Wortpaare, Drillinge und Vierlinge in jeder Sprache, die das Verhalten neutraler beschreiben. Zum Beispiel klingt die Haarziehstörung auf Englisch Hair Pulling Disorder für mich schon um Einiges weicher, sachlicher und definitiv nicht so krank. Mein Favorit ist das nicht wertende und inklusive Körperbezogenes Repetitives Verhalten. Ob sich die deutsche Abkürzung KBRV durchsetzt wird sich zeigen. Die englische Abkürzung BFRB für Body-Focused Repetitive Behavior ist weltweit im Umlauf. Es kann eine Weile dauern, bis dieser Begriff leicht über die Lippen geht, aber ich finde, dass es sich lohnt. Wenn meine Forschung und Kommunikation auf Haare beschränkt ist, verwende ich auch haarbezogenes repetitives Verhalten, das ich noch nicht in der Literatur gesehen habe. Ein weiterer gängiger Begriff für alle BFRBs außer den mundbezogenen ist pathologische Pflegeverhalten. 

Hier ist eine Übersicht über bekannte körperfokussierte repetitive Verhaltensweisen:

Haar
Haupthaar, Augenbrauen, Wimpern, Barthaare, Körperbehaarung, Schamhaare 

Trichotillomanie, das Herausziehen der eigenen Haare
Trichotemnomanie, das Abschneiden der Haare, der Haarspitzen 
Trichocryptomanie, Trichorrexomanie, das Abbrechen der Haare über der Kopfhaut, das Abschneiden der Haare mit den Fingernägeln
Trichophagie, das Essen der Haare, das auf den Haaren beißen
Trichoteiromania, das Reiben der Kopfhaare, auch um Juckreiz zu lindern, resultiert in sehr kurzen Borstenhaaren 

Haut

Dermatillomanie, Excoriation Disorder, Skin Picking, an der Haut pulen oder knibbeln, quetschen oder kratzen
Dermatophagie, an der Haut knabbern und essen

Nägel

Onychophagie, Nägelkauen
Onychotillomanie, Nagelreißen

Nase

Rhinotillexomanie, in der Nase pulen, zwanghaftes in der Nase bohren
Mukophagie, Popel essen

Augen 

die Augen wiederholt mit den Fingern reinigen, um Schleim oder Ausscheidungen zu entfernen

Mund

Morsicatio buccarum, Wangenbeißen
Morsicatio labiorum, Lippenbeißen
Morsicatio linguarum, Zungenbeißen

Ein Experiment – Probiere aus, welche Beschreibung für dich funktioniert. Sprich die folgenden Aussagen laut aus, und entscheide dich, was sich für dich am stimmigsten anfühlt:

A: Ich habe oder hatte Trichotillomanie.
B: Ich habe oder hatte Trich.
C: Ich habe oder hatte eine Haarziehstörung.
D: Ich beschäftige mich mit haarbezogenen, sich wiederholenden Verhaltensweisen.
E: andere Bezeichnung…

Seit Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der Anerkennung von Trichotillomanie als psychische Erkrankung gibt es  Bestrebungen und Entscheidungen ihr einen Platz unter den bekannten psychischen Erkrankungen zu geben.

Es gibt zwei weltweit gebräuchliche Klassifikationssysteme, um Krankheiten für Forscher:innen, Ärzt:innen, Krankenkassen zu codieren und zu kategorisieren:

ICD – International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems
Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme

Das ICD ist eine Sammlung aller Erkrankungen. Diese werden mit einem Code versehen, der dann dazu dient Rechnungen, Rezepte, Verordnungen, Entschädigungen weltweit statistisch einheitlich zu erfassen. Die Liste wird von der WHO, Weltgesundheitsorganisation gemacht. Die ICD-10 von 2019 galt noch bis zum 1.1.2022.

In dieser ehemaligen Version ist die Trichotillomanie als einzige der körperbezogenen repetitiven Verhaltensstörungen im 5. Kapitel Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen unter der Kategorie Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle im Anschluss an das pathologische Spielen, die pathologische Brandstiftung, die Pyromanie und das pathologische Stehlen, die Kleptomanie aufgeführt.

Im ICD-11 werden die Trichotillomanie, die Dermatillomanie und andere körperbezogene repetitive Verhaltensstörungen wie das Nägelkauen und Lippenbeißen  bei den Zwangsstörungen in der Kategorie Körperbezogene Repetitive Verhaltensstörungen klassifiziert.

DSM – Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
Diagnose und Statistisches Leitfaden Psychischer Störungen

Dieses Klassifikationssystem wird von der American Psychiatric Association, APA generiert und bezieht sich ausschließlich auf psychische Erkrankungen. Trichotillomanie wurde 1987 in die 3. revidierte Ausgabe aufgenommen, in die DSM-III-R.

In der 2013 veröffentlichten 5. Version DSM-5 haben Trichotillomanie und Dermatillomanie einen Platz in der Kategorie Zwangsstörungen und Verwandte Störungen bekommen.

Anzeichen der Erkrankung

Es gibt viele Variationen des an den Haareziehens. Gelegentliche und auch tägliche Eigenberührungen der Haare, zum Beispiel das Zwirbeln von Haaren gehören nicht zu dieser Erkrankung, solange jeder Zeit leicht aufgehört werden kann und die Handlung kein Leid erzeugt.

Trichotillomanie Betroffene üben haarbezogene Verhaltenswiederholungen aus, deren Häufigkeit und Intensität in einer direkten Beziehung zum emotionalen, mentalen, körperlichen und sozialen Leidensdruck stehen. Es wird geschätzt, dass mindestens 2% der Bevölkerung an haarbezogenen Verhaltenswiederholungen leiden. Das wären für Deutschland über 1,5 Millionen Menschen.

Die Häufigkeit wie oft eine Person zieht reicht von ab und zu bis zu mehreren Stunden am Tag. Die Intensität des Ziehens kann an der Haarmenge gemessen werden, ist es ein Haar oder ein Büschel Haare, ist es ein schnelles Abreißen oder wird immer wieder sanft an einem Haar entlang geglitten bevor es lockerer wird und scheinbar von ganz allein ausfällt.  

Auf emotionaler Ebene fühlen Betroffene Angst verrückt zu sein oder zu werden und aus ihrem sozialem Gefüge ausgeschlossen zu werden,  Schuld weil sie sich das selber antun, dabei Zeit verschwenden, ihr Aussehen verändern und Scham weil es ihnen peinlich ist.

Auf mentaler Ebene kann es Gedankenkreisel geben, ein Versuch durch Intelligenz eine Lösung zu finden.

Auf körperlicher Ebene kann es zu kahlen Stellen oder Flächen, geringem Gesamtvolumen und Hautirritationen kommen.

Sozialer Leidensdruck entsteht durch selbstgewählte Isolation, die Erfahrung von Ausgrenzung, resultierende Konflikte mit Angehörigen und nahestehenden Menschen und beeinträchtigtes Zeit-Management (Zeitverlust, zu spät kommen).

Jeder Betroffene hat eine ganz eigene Symptomatik. Da dass Haarziehverhalten so unterschiedlich ist, gilt die Erkrankung als hochgradig heterogen.

Zunächst gibt es verschiedene Orte, an denen Haare ausgezogen werden können: Kopfhaare, Wimpern, Augenbrauen, Barthaare, Körperbehaarung und Haare im Intimbereich. Dabei kann sich das Verhalten auf nur eine kleine Stelle zum Beispiel an der Kopfhaut beschränken oder mehrere Arten von Haaren und Körperzonen umfassen.

Dann gibt es individuelle Vorgehensweisen beispielsweise das Einsetzen von Daumen und Zeigefinger einer oder beider Hände, einer Pinzette oder Schere oder der eigenen Zähne.

Dann gibt es Unterschiede in der Phase vor und nach dem Ausreißen. Zum Beispiel wird ein Haar oder mehrere Haare ergriffen und abrupt ausgerissen oder es gibt eine Vorlaufphase die das Suchen und Fühlen nach speziellen Haaren beinhalten kann. Das Spektrum der Möglichkeiten was mit den ausgerissenen Haaren passiert, enthält das einfach Fallen lassen, das Untersuchen des Haars, eine gezielte Sammlung und Entsorgen der Haare, und das ganze Haare oder Teile davon wie die Wurzel oder den Schaft an die Lippen oder den Mund zu halten und entweder die Empfindung der Berührung von Haar und Mund wahrzunehmen  oder auf dem Haar zu beißen und es zu schlucken.

Bei allen BFRBs gibt es das automatische und das fokussierte Verhalten. Betroffene sind entweder völlig unbewusst, zum Beispiel während des Schlafs aber auch  bei bestimmten Aktivitäten wie in Trance engagiert oder sie tun es fokussiert und bewusst.

Körperfokussierte repetitive Verhaltensweisen sind komplexe psychische Störungen, die höchstwahrscheinlich durch eine Kombination von genetischen und Umweltfaktoren verursacht werden. Untersuchungen zum Einfluss der Genetik zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit der BFRB Betroffenheit höher ist, wenn auch ein enger Verwandter betroffen ist. Trichotillomanie kann aus einem erlernten Verhalten und/oder einer genetische Disposition heraus entstehen, beispielsweise wenn ein Kind sieht, wie seine Mutter unter Stress ihre Haare auszieht.
Die Epigenetik verspricht aufschlussreiche Zusammenhänge zwischen Genetik und Umwelt sowie Verhalten aufzuzeigen, die weit über das Nature-Nurture Modell hinausgehen.

Der Verlauf der Störung hängt eventuell auch vom Beginn ab. Eine vollständige Genesung ist bei kleinen Kindern wahrscheinlicher. Bei den meisten Patienten fängt die Verhaltensstörung zwischen 9 und 13 Jahren parallel zur Pubertät an. Dieses weist auf die wichtige Rolle hin, die hormonelle Veränderungen und hormonelles Ungleichgewicht spielen können.

Lange Zeit wurde angenommen, dass Trichotillomanie mehr Frauen als Männer in einem Verhältnis von 9:1 betrifft. Die Beziehung zwischen dem Menstruationszyklus und dem Haarziehen lag von daher nahe. Bisher habe ich zwei Studien gefunden, in denen die Intensität des Haarziehverhaltens im Verhältnis zum Menstruationszyklus verglichen wurde.*

Diese Annahme leitet sich von der Teilnahme an klinischen Studien her, deren Stichproben aus Trichotillomanie Betroffene bestanden, was darauf hinweist, dass mehr Frauen an Studien teilnehmen. 
Epedimiologische Studien, für die ein Teil der gesamteen Bevölkerung bezüglich BFRBs befragt wird, zeigt die Prävalenz, also die Häufigkeit der Erkrankung in einer gesellschaftlichen Gruppe. Hier wird deutlich dass die Verteilung von denen, die sich selbst als Betroffene identifizieren bezüglich des Geschlechts eher 1:2 oder sogar eher 1:1 ist. Jon E. Grant et al. 2020

BFRBs haben ursprüngliche und wiederkehrende Ursachen.

Eine ursprüngliche Ursache für eine Person, die ihre Wimpern herauszieht, könnte sein, dass sie als Kind gelernt hat, dass jemand, der eine heraus gefallene Wimper findet, darauf pusten und sich etwas wünschen kann. Vielleicht wünschte sie sich etwas Wichtiges, und da es selten vorkommt, eine Wimper zu finden, beschloss sie, eine herauszuziehen. Dann tat sie es erneut und vielleicht fühlte sich die sensorische Erfahrung interessant an oder sie fühlte sich mehr in Kontrolle über ihr Leben, und sie erkundete weiter und wiederholte.

Eine ursprüngliche Ursache kann sein, dass ein abstehendes Haar ausfällt und, weil es nicht zu den anderen passt, stört und die Person es herausreißt. Oder ein Haar, das von allein ausgefallen ist, wird, aufgenommen und untersucht. Einige Menschen mit BFRBs erinnern sich nicht an das erste Mal, insbesondere wenn es in der Kindheit war oder das Verhalten eher automatisch und unbewusst als konzentriert auftrat. Andere erinnern sich ganz genau an diesen Schlüsselmoment.

Trauma, Schock, Missbrauch, Vernachlässigung oder hoher Stress können auch dazu beitragen, dass sich eine Person kurze oder lange Zeit nach der Erfahrung Haare ausreißt. Der Grund, warum ein Mensch anfängt, an den Haaren zu ziehen, sich die Nägel abzubeißen, depressiv wird oder überhaupt nicht mit psychischen Symptomen auf ein Trauma reagiert, ist eingebettet in die gesamte Psychologie des Individuums.

Wiederkehrende Ursachen werden auch als Auslöser, Trigger bezeichnet. Hier sind die verschiedenen Arten von Auslösern mit Beispielen.

Visuell unerwünschte, trockene, gespaltene oder graue Haare, die sich nicht dazugehörig anfühlen. Bilder von Kopfhaut, Haaren, Haareziehbeispiele

Kinästhetisch die Textur, die Oberfläche und das Gesamtgefühl eines bestimmten Haares

Auditive das Knistern von trockenem Haar oder die Geräusche, die man beim Bürsten, Kämmen und Streicheln des Haares hört. Von Haaren, Kopfhaut und Haareziehen hören.

Physiologisch eine hormonelle Veränderung oder Nervosität, die durch Zucker oder Koffein verursacht wird.

Emotional jede Emotion, die entweder unangenehm oder aufregend aber schwer auszuhalten oder auszudrücken ist.

Mental die vielen Gedanken, die das Verhalten auslösen. Zum Beispiel ‘Ich möchte, dass sich meine Haare gleich anfühlen.’ Oder ‘Ich kann mit dieser Situation momentan nicht umgehen, ich muss mich beruhigen.’

Gewohnheitsbedingt Routinen, Umgebungen wie ein bestimmter Raum oder ein Ort, die mit dem Verhalten verflochten sind.

*Im Jahr 2018 veröffentlichten Jon E. Grant und Samuel R. Chamberlain Salivary sex hormones in adolescent females with trichotillomania. Elf Testpersonen mit Trichotillomanie nach der Menarche ohne hormonelle Verhütung stellten Speichelproben zur Analyse der Estradiol-, Progesteron- und Testosteronspiegel bereit. Niedrigere Progesteronwerte waren mit schwerwiegenderen Symptomen und ein niedrigeres Niveau aller Hormone war mit einer schlechteren Gesamtfunktion verbunden.

Im Jahr 1997 erfassten Dr. Nancy Keuthen u.a. in der Studie The relationship of menstrual cycle and pregnancy to compulsive hairpulling, dass sich bei 53,3% der 45 Testpersonen der Haarziehdrang in der prämenstruellen Phase verschlimmerte und mit Eintreten der Periode nachließ.

Maßnahmen, Interventionen | Therapie | Medikamente | Selbsthilfe | Lebensbereiche

Diese fünf Kategorien sind in einer Reihenfolge aufgeführt, die Aktionsschritte einer Person widerspiegeln kann, welche die Störung bemerkt, sei es der Elternteil eines Kindes oder ein Erwachsener mit Haarziehverhalten. Denn zuerst wird generell erst einmal versucht, das Verhalten mithilfe irgendwelcher Maßnahmen zu stoppen.

Maßnahmen und Interventionen sind die unendlichen Möglichkeiten, mit denen Betroffene, sowie Therapeuten, Forscher, Familienangehörige und Freunde versuchen, den Drang und das Verhalten zu stoppen, reduzieren und davon abzulenken. Einige Maßnahmen ähneln oder sind Teil von Therapieformen. Einige erfordern komplexe Anpassungen in den verschiedenen Lebensbereichen.

Hier sind einige bewährte praktische Maßnahmen, die von der Gemeinschaft der BFRB-Betroffenen speziell für Trichotillomanie als hilfreich empfunden werden. Über die mit einem * gekennzeichneten, möchte in meiner ersten Studie mehr erfahren.

Stressbälle, Knete, Ringe, Armbänder
Den Geist auf eine Aktivität konzentrieren wie zum Beispiel ein Puzzle
Haar-, Kopf- und Handbedeckungen
* Haare & Kopfhaut waschen
Hände mit Stricken, Backen, Zeichnen beschäftigen
* Rasieren der Haare

 Es gibt viele Arten von Therapien für die psychische Gesundheit, wie allgemeine Beratung, Familientherapie, Psychoanalyse, biodynamische Therapie und Gesprächstherapie. Im besten Fall finden die Menschen die Therapieform, mit der sie sich in Resonanz befinden, relativ schnell. In Bezug auf körperfokussierte repetitive Verhaltensweisen gilt die kognitive Verhaltenstherapie, KVT, als derzeit am meisten empfohlen und erfolgreich. Sie erweist sich effektiver als Medikamente. Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine Art Gesprächstherapie, bei der man die Zusammenhänge zwischen Denken, Fühlen und Handeln lernt und wie man unerwünschte Verhaltensweisen durch den bewussten Umgang mit Gedanken und Gefühlen ändert.
Das Habit Reversal Training (HRT) gehört auch zu dem Bereich Verhaltenstherapie. Es besteht aus einem Selbstwahrnehmungstraining, dem Erlernen von Verhaltensweisen, die in Konkurrenz mit dem unerwünschten Verhalten stehen und dem Einbeziehen sozialer Unterstützung. Das klassische Beispiel für eine konkurrierende Bewegung zum Haareziehen ist das Ballen von Fäusten. Das Element des gegenteiligen Verhaltens ist für mich in Bezug auf Studie 2 von besonderem Interesse, da Bewegungen zur Pflege der Haare dem Ausreißen der Haare entgegenstehen.
Die dialektische Verhaltenstherapie, DBT ist eine andere Art der Lerntherapie und besteht aus Achtsamkeit, Emotionsregulation, Belastungstoleranz und zwischenmenschlichen Fertigkeiten. Die bestehende Forschung zu den positiven Auswirkungen der Umsetzung des Konzepts der Achtsamkeit in der Therapie hat mir den Weg geebnet, eine achtsamkeitsbasierte Haarpflegebehandlung für Studie 2 zu entwickeln.

Die Entscheidung, ob Medikamente eingenommen werden sollen oder nicht und wenn ja, welches hängt in hohem Maße von der allgemeinen und gesundheitlichen Befindlichkeit des Einzelnen ab. Zum Beispiel ist es wichtig zu prüfen, ob der Trichotillomanie Patient auch an Depressionen, Angstzuständen oder anderen körperlichen und emotionalen Problemen wie Schlaflosigkeit, Stimmungsschwankungen oder hohem Stress leidet. Untersuchungen haben gezeigt, dass Medikamente in Kombination mit KVT hilfreich sein können. Bei manchen Menschen hilft das Antidepressivum SSRI, Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, den Drang zu verringern.

Selbsthilfe spielt eine große Rolle, da viele Trichotillomanie Betroffene im Allgemeinen so viel mehr über die Störung wissen als ihre Familie, Lehrer oder Therapeuten. Sie werden zu Experten für ihren individuellen Ausdruck des Haarziehens, und sich selbst zu helfen, kann erst Mal viel einfacher sein, als erklären und ‘unterrichten’ zu müssen, wenn sie es doch eigentlich sind, die mehr Antworten und Rat benötigen.
Was auch immer dem Selbst bei der Bewältigung und Überwindung einer Störung hilft, ist richtig: sei es Tagebuch schreiben, lernen, wie man Träume analysiert, an Workshops zur Selbstfindung teilnehmen, Yoga praktizieren, meditieren oder vieles mehr. Selbsthilfe ist oft die einzige Wahl, wenn Therapie nicht verfügbar oder zu kostspielig ist.
Organisierte Selbsthilfegruppen können eine großartige Möglichkeit für Verbindung, emotionale Unterstützung und Vernetzung sein.

Diese Lebensbereiche auf potenziellen Stress und Ungleichgewicht hin zu untersuchen und Anpassungen vorzunehmen, kann den Drang und die Intensität des Haarziehens beeinflussen oder auch nicht.

Gesundheit 
• Einnahme von Drogen und Medikamenten
• Bewältigung gesundheitlicher Probleme zusätzlich zur Haarziehstörung
• Die Rolle des Menstruationszyklus
• Physische Aktivität
• Schlafverhalten, Ruhe & Entspannung

Ernährung 
• Tägliche Diät
• Nahrungsergänzungsmittel

Lernen & Arbeiten 
• Tägliche Routine
• Studien- und Arbeitsumgebung
• Evaluierung des Zeit- und Aufgabenmanagements
• Finanzielle Lage

Persönliches Leben
• Selbst
• Ort
• Kulturelle, politische, religiöse, soziale Identität
• Familie
• Intime Partner
• Freunde